
Ideen zur Gemeinschaftsbildung
Der Soziologe Ferdinand Tönnies hat seinerzeit Gesellschaft und Gemeinschaft als zwei soziale Gruppierungen benannt, die beide auf dem Prinzip der gegenseitigen Bejahung basieren. Nach seinen Überlegungen lässt sich für die Idee von Gemeinschaft grundlegend feststellen, dass ihr Wesen auf einem WIR-Gefühl im Sinne von Kohäsion im Gruppenverband zu sehen ist. Während sich die Gesellschaft eher über den Konsens aus eigennützigen Einzelwillen definiert, hat die Verbundenheit der Menschen und der Gemeinsinn in der Gemeinschaft folglich eine höhere Bedeutung.
Damit wäre ja dann alles gesagt – Gemeinschaft ist das was im Dorf oder Verein zelebriert wird und Gesellschaft ist eben das größere Drumherum. Oder greift das eventuell doch zu kurz? Vielleicht können wir von dort aus ja der Feststellung des Zen-Meisters Willigis Jäger nachspüren, dass wir noch nicht wirklich wissen, wie Gemeinschaft funktioniert. Auch David Bohm, ein Schüler von Jiddu Krishnamurti, hat dies in ähnlicher Art bemerkt, indem er darauf verwiesen hat, dass wir uns ganz im Gegensatz zu archaischen Stammeskulturen schwer tun in einer Gemeinschaft authentisch zu sein.
Die Antwort auf die Frage, was uns fehlt, wird sich kaum in der reaktionären Bildung von Parallelgesellschaften finden – das hat die Vergangenheit wohl offensichtlich werden lassen. Vielmehr bleibt die essenzielle Frage, wie wir das, was bei indigenen Gemeinschaften den Gruppenverband zusammengehalten und zu einem tieferen Erleben von Verbundenheit mit der Schöpfung beigetragen hat, in die entfremdete Welt der krisenhaften Postmoderne transportieren.
Ein zentraler Schlüssel auf dem Weg zur Gemeinschaftsbildung ist sicherlich Kommunikation, denn alles was wir bewusst versprachlichen, trägt in der Folge auch zur Ausbildung von Bewusstheit bei. Eine wertvolles Framework dazu, sind die Überlegungen des amerikanischen Psychiaters Scott Peck, der festgestellt hat, dass Gemeinschaftsbildung, wenn sie zu tiefer und authentischer Verbundenheit führen soll, idealtypisch entlang mehrerer Phasen verläuft, entlang derer auch gewisse Prinzipien Beachtung finden.
Diese Kommunikationsempfehlungen zielen darauf ab, sich respektvoll unter Achtung der Grenzen der anderen zu äußern. Dazu gehören beispielsweise aufmerksames Zuhören, sich in der Ich-Form mitzuteilen, nicht unnötig viel Raum zu beanspruchen ebenso wie emotionale Anwesenheit und aktive Beteiligung in der Gruppe.
Damit Gemeinschaft gelingen kann, braucht es auch immer wieder Bereitschaft sich auf Gruppendynamiken einzulassen sowie Toleranz für unterschiedliche Sichtweisen. Darüber kann dann jeder Einzelne mehr Zugang zu den Wirklichkeitskonstruktionen der Mitmenschen gewinnen. Eine derartig bewusste Lebensgestaltung im Kontext des Miteinanders ist dazu geeignet, die Grundlagen für eine authentische Gemeinschaft zu bilden.
Auf dieser Grundlage können wir dann vielleicht auch wieder besser erkennen, dass, wenn man alles Transzendente abspaltet, so wie es eine Vielzahl der Psychologien mit klassischer westlich-akademischer Tradition durch ihren Hyperfokus auf Ich bzw. Ego und Individuum tun, man dadurch nicht mehr Verbundenheit schafft, sondern eben qua Definition mehr Spaltung.
Diese Erkenntnis kann der Moment sein, in dem wir uns auf die verbindende Kraft von Ritualen zurück besinnen, die dazu geeignet sind, die teils immense Spannungsladung unseres kollektiven Unterbewusstseins symbolisch auszuhandeln – ganz ohne die Symptomatik gesellschaftlicher Krisen. So kann in der Folge auch kollektive Selbstverantwortung entstehen, die das Potenzial in sich trägt, die Gesellschaft allmählich zu einer echten Menschheitsgemeinschaft zu transformieren.