Yin und Yang in der Asiatischen Heilkunde

Yin und Yang in der Asiatischen Heilkunde

In der westlichen Welt finden neben der Traditionellen Chinesischen Medizin auch Ayurveda und die Traditionelle Tibetische Medizin als Formen asiatischer Heilkunde zunehmend Verbreitung und Anwendung. Wesentlicher Bestandteil jener drei traditionellen Heilkünste ist das aus der asiatischen Philosophie und Weltsicht stammende Ordnungsprinzip der polaren Urkräfte Yin und Yang.

Dieses als Tàijí bekannte kosmische Prinzip beschreibt die Einheit aller Gegensätze. Symbolisiert wird es durch die Monade, ein durch eine Schlangenlinie getrennter Kreis, der üblicherweise eine weiße Seite mit schwarzem Punkt und eine schwarze Seite mit weißem Punkt umfasst. Die dunklen Felder repräsentieren das weibliche Yin-Prinzip, das für Ruhe steht, die weißen Felder das männliche Yang-Prinzip, das Aktivität verkörpert. Durch die Symbolik der Monade wird auch sichtbar, dass das Yin das Yang beinhaltet und umgekehrt. Die lebendige Dynamik zwischen den beiden voneinander abhängigen Polaritäten wird wiederum durch die Schlangenlinie gekennzeichnet

Unterschiedliche Entwicklungsgeschichten

Freilich sind die drei großen asiatischen Heilkünste TCM, TTM und Ayurveda in ihrer inhärenten Komplexität vielschichtig und unterscheiden sich im Detail an vielen Stellen. Das kann nicht verwundern, haben diese Traditionen doch lange Entwicklungsgeschichten erfahren, seitdem in der Wildnis lebende Yogis die ersten Heilwirkungen von Pflanzen bei Tieren abgeschaut haben.

Das Ayurveda wurzelt in der Tiefe in den Lehren der Veden, der ursprüngliche Bezugspunkt der TCM liegt im Konfuzianismus und Daoismus und die TTM involviert Überlieferungen aus der Bön-Kultur sowie Erkenntnisse aus dem Buddhismus mit seinem Fokus auf mentale Prozesse und Bewusstsein.

Das Polaritätsprinzip in TCM, TTM und Ayurveda

Klassisch ist die Yin-Yang-Polarität in der Meridianlehre der TCM gebräuchlich, aber auch in der TTM. Dort werden zudem Störungen der Impulsenergien Lung, Tripa und Päken in den Kategorien kalt (analog zu Yin) und heiß (analog zu Yang) differenziert. Das Urprinzip der in Verbindung stehenden Polaritäten spiegelt sich im Ayurveda im Kontext des Konzepts der drei Doshas, welches Lebensenergien beschreibt. Das Kapha-Dosha entspricht in weiten Teilen dem Yin und das Pitta-Dosha in weiten Teilen dem Yang. Die Polarität aus Yin und Yang wird durch die Energie “Qi” ausbalanciert, im Ayurveda entspricht das dem Vata-Dosha.

Das Polaritätsprinzip in TCM, TTM und Ayurveda, lässt sich noch besser begreifen, wenn wir den Bezug zur Sprache der modernen Wissenschaften herstellen. Man liegt nicht völlig falsch, wenn man dabei an Einsteins Erkenntnis denkt, dass Masse, die Ausdruck des Yin-Pols ist, und Energie, als Ausdruck des Yang-Pols, sich ineinander wandeln lassen. Wenn wir nun den Blick auf unser vegetatives Nervensystem richten, wird die Betrachtung abermals plastischer. Dort haben wir den aktivierenden Sympathikus (Yang) und den beruhigenden Parasympathikus (Yin). Für die Homöostase, die Aufrechterhaltung des inneren Gleichgewichts unseres Organismus, ist eine gute Balance von Sympathikus und Parasympathikus sehr wichtig. Und eben diese Bedeutung des Gleichgewichts der Polaritäten ist in den asiatischen Heilkünsten schon seit Jahrtausenden bekannt.

Bedeutung für eine bewusste Lebensgestaltung

Um sich die vorangegangene Betrachtung noch besser zu vergegenwärtigen, ist es hilfreich beispielhaft einige der Aspekte der Polaritäten Yin und Yang noch etwas näher zu betrachten. Mit diesem Verständnis ausgestattet, bekommen wir schon ein erstes Gespür, welchen Beitrag die asiatische Heilkunde für eine bewusste und damit gesunde Lebensgestaltung leisten kann.

Yin-Apekte sind: weiblich, absteigend, Materie, Mond, Nacht, Ruhe, Empfangen, Kälte, Innen, etc.
Yang-Aspekte sind: männlich, aufsteigend, Energie, Sonne, Tag, Aktivität, Geben, Wärme, Außen, etc.

Diese interdependente Polarität kann prinzipiell auf alle Lebensbereiche übertragen werden. Wenn die stetig wechselnde Dynamik der Pole sich in einem fließenden Gleichgewicht befindet, fühlen wir uns lebendig und gesund. Die Konsequenz einer mangelnden Dynamik der Polaritäten sind Stockungen, die wir als Trägheit oder Krankheit erleben – im Extremfall einer Trennung von Yin und Yang, sprechen wir vom Tod. Das Kräftespiel dieser Gegensätze wirkt sich nicht nur über längere Zeitabschnitte, sondern auch im Tagesverlauf aus, wie im folgenden Schaubild dargestellt.

Potentialdynamik der Polaritäten Yin und Yang im Tagesverlauf

Durch die mit dem Sonnenaufgang entstehende Bewegung nimmt der Aspekt des Yang bis zur Mittagszeit zu, um nach dem Mittag durch zunehmendes Yin wieder abgesenkt zu werden. Mit dem Sonnenuntergang gewinnt das Yin weiter an Stärke, bis es zur Mitternacht in seiner vollen Kraft angelangt ist. Das Yin dominiert die Ruhe der Nacht, bis das Yang zum Sonnenaufgang wieder stärker aufsteigt.

Chronifizierte Verhaltensweisen bewegen sich oft abseits der natürlichen Rhythmen und manifestieren sich als energetische Blockaden. Die asiatischen Heilkünste setzen dann auf der Ebene von Impuls- und Lebensenergien an, um die Polaritäten wieder in ihr dynamisches Gleichgewicht zu bringen. Dabei kann mitunter zunächst mal etwas Dissonanz entstehen – man nennt das dann Erstverschlimmerung.

Wenn wir es schließlich in der Folge schaffen, körperlich und mental über die Tages- und Jahreszeiten hinweg mit den Rhythmen der Polaritäten zu gehen, also Ruhe und Erholung mit Aktivität und Schaffendem in einer guten Balance abwechseln, sind wir wieder ganz im Einklang mit uns und dem Dasein. Idealerweise machen wir das in Kenntnis der Potentialdynamik der polaren Urkräfte gleich präventiv.

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